ICELAND, ISL, 2012

Björn Pados, ICELAND ISL, 2012 (Fotografie-Serie)

Island ist das Land der unberührten, rauen Weite. Wasser, Eis und Kälte, aber auch vulkanische Hitze und Dampf treffen in ursprünglicher Weise aufeinander. Gletscher, Geysire, Geröll- und Lavawüsten bilden die karge Kulisse für die wenigen Menschen, die in diesem „Urzustand“ leben. Auch sie hinterlassen Spuren – mal als Wohlstandsrelikt, mal in Form von Skulpturen. Dieses Aufeinandertreffen der Naturgewalten, in denen der Mensch ganz offensichtlich eine untergeordnet Rolle spielt, hat auch Björn Pados fasziniert. Auch wenn die Tourismuszahlen in den letzten Jahren konstant nach oben wiesen, ist Island doch noch ein Ort, an dem ursprüngliche Natur erlebt werden kann. Ein Hauch von Abenteuer und Unabhängigkeit weht den Besucher an, der oft stundenlang durch Ödnis fährt, auf kaum oder gar keine Besiedlung und Menschen trifft. Aber diese menschenleere Ödnis ist nicht etwa monoton, sondern von großer Vielfalt. Es sind wechselvolle Landschaftsbilder, die einen Einblick in die „Kinderstube der Welt“ erlauben.

Einfühlsam hat Björn Pados die Besonderheiten dieses Landes eingefangen. Und es gelingt ihm, beispielsweise in der kleinen Flechte, die auf den moosbewachsenen, rund geschliffenen Steinen sich gegen Wind und Wetter behauptet, trotz der Tristesse den Hoffnungsschimmer zu vermitteln, der in diesen genügsamen Pflanzen steckt. Oder die Lebensfreude einzufangen in Form der Badenden, die sich in einem jener Naturbäder aufwärmen, die ihnen die dünne Erdkruste bescherte. Dass Menschen in dieser Kargheit leben, davon zeugt nicht zuletzt auch jene sich in Serpentinen durch die karge Berglandschaft windende Straße, die scheinbar im Nichts beginnt und endet. Darin ist diese Fotografie jener vergleichbar, in der der Wasserfall aus dem Himmel zu entspringen scheint, Erde und Himmel auf diese Weise miteinander verschmelzen.

„Das Wetter wechselt von Stunde zu Stunde, die Wüste bleibt, sie wechselt nur ihre Farben und es gibt keine Farbe, die in der Wüste nicht vorkommt im Verlauf der langen Tage“, schrieb Max Frisch vor einigen Jahren über Island. Es ist aber keine laute, sondern eine sehr gedämpfte, fast monotone Farbigkeit, auf die der Reisende trifft. Sie wird aufgebrochen durch die unendliche Weite des Himmels und des die Insel umgebenden Meers, dessen Vielfalt Björn Pados ebenfalls portraitiert. Überhaupt das Wasser: In dieser Bandbreite und unterschiedlichen Aggregatszuständen ist es wohl sonst nirgends auf so engem Raum zu erleben. Während die von Pados gezeigten Eisschollen in ihrem unwirklichen Türkis an Caspar David Friedrich erinnern und einen längst vergangenen Urzustand zu dokumentieren scheinen, ist die Gewalt der Natur in jenen Fotografien fast körperlich zu spüren, in denen er die Natur im steten Widerstreit mit dem Menschen, aber auch dem jahreszeitlichen Wechsel zeigt.

Tiefe Schluchten, in die Wassermassen stürzen, sanfte Mulden, in denen vom Gletscherwasser gänzlich abgeschliffene Steine liegen, eine perfekte Oberfläche haben, Geysire, nach deren Ausbruch die Uhr gestellt werden kann, Vulkanausbrüche und Gletscher fast nebeneinander. Moose, Flechten, kleine Pflanzen sind das einzige, was fast am nördlichen Polarkreis wächst. Es ist eine Fauna, die die perfekte Kulisse für die Nebelschwaden bilden, die über manchen Schluchten und Hochebenen hängen, in denen die mystische Sagenwelt der Nordländer einen Urgrund zu haben scheint.

Es sind faszinierende, oft stille, dabei aber auch spektakuläre Momente, die Björn Pados in seinen Fotografien eingefangen hat. Der Mensch scheint hier mehr Eindringling als Bewohner zu sein, das machen auch seine Bilder von Autowracks deutlich, an denen offensichtlich schon lange die Natur daran arbeitet, sie zu absorbieren. Das Wikingerdenkmal im Hafen von Reykjavik wird bei Björn Pados zu einem monumentalen Design-Objekt, das ähnlich abgerückt scheint, wie der Mensch in gewisser Weise „Fremdkörper“ innerhalb der Naturgewalten bleibt

Dr. Chris Gerbing, 2014